Eine befreite Sexualität ist nur möglich, wenn die erwähnten moralischen Zwänge und das ganze Verdammen, Schlechtreden, Unterdrücken und Abdrängen von Sexualität in heimliche Bereiche (Rotlichtmilieu, Fremdgehen, Doppelleben, Pädophilie, Sadismus etc.) ein Ende finden. Die angeblich so freizügige moderne Einstellung zur Sexualität ist in Wahrheit keine, sondern nur eine scheinliberale Fassade. Sex ist zum Konsumprodukt geworden. Die sexuelle Energie wird umgeleitet in Konsumangebote von Musik-, Film- und Presse-Produkten. Politiker können mit sexuell überreizten, am Kontakt mit Frauen gehinderten Soldaten die effektivsten Vernichtungskriege führen: Bomben, Granaten, Gewehre, Panzer, U-Boote sind die diabolischen Symbole der nicht auf natürliche Weise gelebten männlichen Potenz. Selbst Leistungssport benötigt den Fruststau – nach befriedigender Lösung des Energiestaus besteht weniger Wettbewerbsbereitschaft, und das Ego ist nicht mehr auf die Ersatzbefriedigung von Meisterschaften, Pokalen, Medaillen und Massenjubel angewiesen.
Die tiefere Natur und das Potential von Sexualität bzw. Lebenskraft können nur dann in Fluß kommen, wenn sie nicht ökonomisiert (→ weibliche Unterleibspolitik) und durch oberflächliche Reize (→ Konsum von erotischen Stimulanzien ohne echten Kontakt zum anderen Geschlecht) verraten werden. Dazu muß der Einzelne aus der Hypnose der Massengesellschaft mit ihren Ablenkungen und Oberflächenreizen aussteigen und sein direktes, vitales Eigeninteresse wiederentdecken – und leben! Körperlichkeit und Gefühle, das Prickeln der Erfahrung, im Hier und Jetzt präsent zu sein und mit allen Sinnen die Wirklichkeit einzuatmen, zu trinken, zu spüren, sind die Voraussetzung, sich auch dem anderen Geschlecht wieder auf ehrliche, unverstellte und vertrauensvolle Weise zuzuwenden.