Sexuelle Zwangswirtschaft ist ein von Otto Mainzer geprägter Begriff, der die Degeneration und Zerstörung natürlicher Sexualität in der modernen Zivilisation beschreibt. Anstelle eines natürlichen, spontanen, ungezwungenen, angst- und druckfreien Zueinander-Findens von Männern und Frauen kommt es dabei zu einem von wechselseitiger Manipulation, Intrige, Vermarktung und Verstellung beeinträchtigten Ritual, bei dem die eigentliche Befriedigung und das Glück, die dabei erfahren werden können, zerstört und in den Schmutz gezogen werden.
Männer werden unter solchen Umständen knappgehalten und überreizt, während Frauen so erzogen und konditioniert werden, daß sie, statt sich dem Mann hinzugeben, eine erpresserische Unterleibspolitik betreiben. Sowohl Wirtschaft, Medienindustrie als auch Kriegsführung basieren zu wesentlichen Anteilen auf der Beschädigung, Blockierung und Pervertierung der sexuellen Energie.
Mainzer bezeichnet diese Blockierung auch als „organisierte Entbehrung“ und „Industrie der Vereitelung“.
Es ist keineswegs natürlich, daß ein beliebiger Mann und ein beliebiges Weib einander geschlechtlich begehren und, kaum allein gelassen, auch schon aufeinander losstürzen. Erst die organisierte Entbehrung konnte eine solche Fixierung des Blickes hervorrufen. Der gierige Mann, der jedes Weib nur auf die Zugänglichkeit (d.h. den eventuellen Preis) seiner Vagina taxiert, und die zurückgehalten gereizte Frau, die den Mann zugleich herbeiwünscht und vor ihm als Bieter auf der Hut sein muß: Beide sind nur die neurotischen Opfer einer Industrie der Vereitelung, welche täglich neue Täuschungsmanöver ausheckt, auf daß die Einzelnen sich niemals schlicht als Menschen, in ihrer persönlichen Eigenart, mit ihrem wirklichen Gesicht, gewahren können. Otto Mainzer: Die sexuelle Zwangswirtschaft, S. 94