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Sucht
Das Sucht-Problem
Wenn Momente der Leere auftauchen, weil gerade nichts passiert, wenn nichts mehr da ist, das einen ablenkt, greifen viele Menschen zu Suchtmitteln. Warum? Was empfindet ein Mensch in diesem Moment? Er fühlt seine eigene innere Leere und Hohlheit. In diesem Moment gibt es scheinbar nichts mehr, das ihn befriedigt. Mit Suchtmitteln lenkt er sich von der Leere ab, weil er dieses Empfinden nicht erträgt, und damit lenkt er sich zugleich auch von sich selbst ab.
Gefühle der Leere und Ödnis tauchen im Menschen auf, weil er sich von seinem Kern entfernt hat, von seinen wahren Gefühlen und Empfindungen. Stattdessen lebt er ein nach außen gerichtetes Leben. Viele Standarderwartungen an das Leben, kitschige Vorstellungen von Glückserfahrungen sowie großartige Erwartungen auf Erfolgserlebnisse entpuppen sich oft als leer und nichts anderes als vergängliche, nichtssagende Bilder und Gefühle im Gemüt des Menschen. Dies alles verursacht im Menschen Gefühle der Leere und Fadheit.
Der Süchtige will süchtig sein
Zwar ist bei Drogen irgendwann der Punkt erreicht, wo auch der Körper abhängig ist und der Süchtige scheinbar schwach und unterlegen. Aber im Ursprung, in der ersten Phase, gilt: Der Süchtige will süchtig sein. Er fühlt sich sogar größer, wichtiger, stärker als andere. Er schaut auf andere hinunter, will nicht so klein und schwach sein wie sie. Sondern er meint, er hätte einen Trick gefunden, darüber hinaus zu kommen und etwas Besonderes zu werden.
Süchtige sind arrogant und stolz; sie halten sich für lebensfroher, klüger und intelligenter als andere. Die Sucht ist für sie „Lebensstil“, und sie halten sich für „Lebenskünstler“, die besondere Momente besser und intensiver zu erleben wissen als der Durchschnittsmensch, den sie als „Spießer“ abqualifizieren. Ihr Motto: „Lieber süchtig sein, gut leben und früh sterben, anstatt als öder Spießer dahinzuvegetieren!“
Völlerei, Trinken von Alkohol, Aufputschmittel oder Nikotin geben dem Süchtigen den „Kick“, mit dem er glaubt rasche und effiziente Befriedigung erfahren zu können. Mit der Langeweile, Leere, Bedeutungslosigkeit und Einsamkeit, wie sie alle anderen Menschen auch kennen und erfahren, meint er sich nicht mehr auseinandersetzen zu müssen — über so etwas steht er/sie völlig darüber.
Widerstand gegen unerwünschte Hilfe von außen
Aus dem Vorteil, den er sich vermeintlich verschafft, ergibt sich auch, daß man dem Süchtigen seine Sucht unmöglich ausreden kann. An dem Punkt, wo es um sein Festhalten an der Sucht geht, ist der Betreffende taub und schaltet auf stur und unnachgiebig. Er macht dann einfach genauso weiter wie vorher. Macht man ihn auf die Sucht aufmerksam, ändert auch das nichts. Es vergrößert meistens sogar den Trotz und die Uneinsichtigkeit, weil ja die eigene „Liebhaberei“, die ihn/sie vermeintlich zu ihrem/seinem Glück führt, in Gefahr gerät. Jedenfalls will der Süchtige nicht freiwillig von seinem Laster ablassen. Druck und Nötigung von außen, oder Kritik, Beschimpfung, Lächerlich-Machen — das bringt alles nichts.
Auflösung der Sucht
Bevor man nicht selbst der eigenen Sucht überdrüssig wird, gibt es kein Ende und keinen Ausweg. Der Süchtige muß absolut genug haben; er muß sich vor sich selbst schämen und von seiner Schwäche, vom Ausmaß seines Selbstbetrugs und von der damit einhergehenden Erniedrigung entsetzt und schockiert sein. Nur durch Scham und Reue wird eine Umkehr möglich. Werden diese Empfindungen nur teilweise durchlebt, ist der Rückfall in die alte Lebensweise vorprogrammiert.
Ist man für die Umkehr „fällig“, so kann man den Mechanismus einer Sucht durch bewußtes Hinsehen und Innehalten durchschauen. Sie löst sich auf, wenn man bereit ist, den Zustand oder das Empfinden in jedem Moment des Lebens so zu akzeptieren, wie er ist (und immer schon war), und wenn man all die abstrusen, unhinterfragten Erwartungen an das Leben aufgibt. Wenn man wieder den Mut und die Demut aufbringt, stattdessen jeden Moment voll zu erleben, wie er gerade ist, und nicht mit falschen Vorstellungen und Träumen behangen.
Siehe auch:
— Tatiana Sallaum, GLR, 23.9.2008, 24.8.2009
— Gerd-Lothar Reschke 12.12.2018 17:57 (einkopiert)