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Johann Sebastian Bach

© Daniela Rizzi | 23.07.2009

Deutscher Musiker und Komponist (1685-1750)

Bachs Biographie

1685 wurde Bach in Eisenach als das jüngste Kind einer musikalischen Familie geboren. Sein Vater war Ratsmusiker, Hoftrompeter und Leiter des Stadtpfeifer-Kollegiums in Eisenach.

Aus dem kleinen Bach wurde einer der größten Tonschöpfer aller Zeiten. Aber nicht durch den Einfluß der Familie, sondern durch ein inneres und tiefes Interesse daran, die Musik mit aller Hingabe, Fleiß und Freude zu erforschen, und das sein ganzes Leben — auch wenn die Gegebenheiten nicht immer einfach waren.

Die innere Berufung und die Lust, dieser Berufung nachzugehen, lernte Bach früh kennen. In Eisenach besuchte Johann die Lateinschule, wo er als Mitglied des Chors die eigene Stimme erforschen durfte. Sobald er singen konnte, begleitete er die Geschwister bei Hochzeiten, Taufen, Begräbnissen und Familienfeiern, auch wenn das bedeutete, Unterricht in der Schule zu verpassen. Dem erfüllenden Glücksgefühl bei sich nachzuspüren machte bestimmt mehr Spaß, als sich nach nach äußeren Instanzen und Vorschriften zu richten.

Die Mutter verlor er mit 9 und den Vater mit 10. Nach dem Tod des Vaters landete Johann in Ohrdruf bei dem ältesten Bruder, der selbst Musiker war. Obwohl er von den ersten Lebensmonaten an von Musik umgeben war, durfte er erst zu dieser Zeit eine musikalische Ausbildung beginnen. In der Ohrdrufer Lateinschule zeigte Bach, wie schnell er fähig war, Neues zu lernen. Seine raschen Fortschritte führten ihn dazu, die Secunda zu überspringen und ein Stipendium für die renommierte Michaelisschule in Lüneburg zu ergattern.

Bachs Beharrlichkeit und Durst zu lernen

Für die Ausbildung war Bach kein Weg zu weit und kein Wetter zu schlecht. Die 300 km lange Strecke nach Lüneburg legte er zu Fuß zurück, da keine finanziellen Mittel für eine Transportmöglichkeit vorhanden waren.

In Lüneburg atmete Johann so viel Musik und Kenntnis, wie er nur konnte: Er sang im Chor, vertiefte seine Fähigkeiten an der Violine und am Cembalo, lernte erstklassige Musiker kennen und studierte die Orgel in ihrer Komplexität und Klanglandschaft mit großer Ernsthaftigkeit. Sowohl in Ohrdruf als auch in Eisenach hatte er schon die Arbeit von Orgelbauern begleitet. Als ein berühmter Orgelbauer nach Lüneburg kam, um die Orgel der Sankt-Michali-Kirche zu erneuern, hatte Bach die Gelegenheit, viel zu fragen, das Instrument auszuprobieren und genau zu erforschen, wie alle Register, Klaviaturen, Pfeifen und Pedale funktionierten.

Mit 17 Jahren hat Bach die Lüneburger Lateinschule ohne Abschluß verlassen, da er kein Interesse daran hatte, eine Universität zu besuchen, sondern so schnell wie möglich eine Stelle als Musiker zu bekommen.

In Lüneburg lernte er genug, um als Musiker seinen Lebenunterhalt verdienen zu können. Die Selbständigkeit war nicht nur finanziell, sondern in allen Bereichen. Bach hatte z.B. keine oberflächlichen Freundschaften um sich herum: Die tiefe Beschäftigung mit Musik ließ ihm weder Zeit noch Bedürfnis dafür. Er schloß sich aber auch nicht von seinen Mitmenschen ab, wie viele Berichte andeuten, sondern schloß sich ihnen nur nicht an. Im Sommer des Jahres 1702 stand er ganz auf eigenen Beinen, sowohl emotionell als auch schöpferisch: Bach verfolgte keine bestimmte Schule oder Richtung. Mitten im Schuljahr ging er, um sich für eine Stelle als Musiker in verschiedenen Städten zu bewerben.

Bachs Professionalität und Ernsthaftigkeit mit 18 Jahren

Im März 1703 bekam Bach eine Stelle als Lakai und Violinist an einem Hof in Sachsen-Weimar. In der kleinen Privatkapelle war er sehr nützlich und tüchtig auf der Geige, der Bratsche, dem Cembalo und der Orgel.

Währenddessen wurde an der Orgel in Arnstadt gearbeitet. Obwohl noch sehr jung, bekam der achtzehnjährige Bach schnell den Ruf, viel von Orgelbau zu verstehen und praktisch alle Orgeln in der Umgebung zu kennen. Die Anstädter Orgel war lange im Bau gewesen, und als die Frage aufkam, ob sie gut oder schlecht war, schien Bach am geeignetsten, um als Gutachter zu fungieren. Der Arnstädter Rat ging kein Risiko ein: Für den Fall, daß Bachs Urteil nicht ernstzunehmen gewesen wäre, hätten sie seine Jugend dafür verantwortlich machen können.

Doch Bach überraschte alle: Der junge Gutachter war tadellos und äußerst akkurat in seinen Behauptungen. Er ersparte dem Orgelbauer überhaupt nichts. Außerdem spielte er so wunderschön auf der Orgel, daß die Ratsherren keinen Zweifel hatten, ihm gleich die Stelle als Organisten anzubieten, ohne eine offizielle Ausschreibung — „und das mit einem Gehalt, wie es weder davor noch danach einem Arnstädter Organisten gezahlt wurde“ [1].

Damit erlangte Bach genügend Unabhängigkeit, um seine Arbeit zu gestalten, wie er nun wollte: Er hatte eine der besten Orgeln der Gegend und ein Orchester mit vierundzwanzig Musikern. Da die kleine Stadt keinen Chor hatte, baute Bach einen auf. Die Schüler, die im Chor teilnahmen, waren kaum jünger als der 20jährige Chorleiter und fanden Spaß am Gesang.

Das Bild veränderte sich, als die Söhne wohlhabender und einflußreicher Eltern zu rebellieren anfingen, sobald sie merkten, daß der talentierte Schulchorleiter seine Tätigkeit nicht nur halbherzig ausüben wollte, sondern Ansprüche stellte! Hierzu gibt es eine Episode: Sechs Primaner lauerten Bach mit Knüppeln bewaffnet im Dunkel auf, um ihn zu zwingen, sich bei einem der Jungen zu entschuldigen, ihn „Zippelfagottisten“ genannt zu haben. Obwohl die Situation lebensbedrohlich genug war, ließ Bach sich nicht einschüchtern und ging entschlossen auf seine Angreifer los. Diese flohen vor lauter Überraschung, da sie anstatt mit seiner inneren Kraft, mit seiner Angst gerechnet hatten. Bach erstattete eine Anzeige gegen sie, was aber lediglich in einem einfachen Verweis an einen der Angreifer resultierte, um „seine künftige Laufbahn nicht zu gefährden“ — es ist offensichtlich, welchen Einfluß die Eltern dieser Jungen in Arnstadt hatten. Bach wurde angewiesen „die musikalische Unterweisung der Gymnasiasten in gemäßigter Form wieder aufzunehmen“.

Musik ohne Parallelen

Als Bach mit dem Chor in Arnstadt arbeitete, schrieb er seine erste Kantate. Komponieren war für ihn nicht nur Teil seiner Arbeit, sondern Teil seines Seins. Neben den vielen Werken, die er als Bestellungen bearbeitete, komponierte er „zweckfrei“. Die d-Moll-Toccata, die Bach in Arnstadt mit 19 oder 20 schrieb, zeigt, mit welcher spielerischen Neugier und Freude er Erfindungen in die Musik hineingebracht hat. Diese Toccata zeigt schon, wie Bach eine gänzlich andere Form erfunden hat, als bis dahin üblich war. Wie Klaus Eidam sagt: „Schon Bachs Arnstädter Kompositionen sind in Wirklichkeit in Architektur und satztechnischer Kompliziertheit beispiellos, und wo Bach sich an Beispiele gehalten hat, dann nicht, um ihnen nachzueifern, sondern um sie abzuwandeln.“ Bach war auch noch ein ausgezeichneter Improvisator. Er improvisierte zu seinem eigenen Vergnügen in Vor- und Zwischenspielen im Gottesdienst.

Die Musik Johann Sebastian Bachs

Wenn jemand aufmerksam und offen ist, Johann Sebastian Bachs Musik mit Hingabe und Zuwendung zu hören, wird er einen Blick hinter die Kulissen der eigenen starren Weltvorstellungen erlangen und ein Stück unverfälschter Wirklichkeit erkennen.

Bachs Musik ist so mächtig, daß sie eine Reise ins Wesentliche ermöglicht. Dadurch besteht die Chance, den unmittelbaren Anschluß an Aufrichtigkeit und tiefe Liebe in sich selbst zu finden. Gleichgewicht und Harmonie werden sogar körperlich fühlbar, als ob man zurück in seinen natürlichen Zustand gebracht würde, in dem Konflikte und Spannungen gar nicht existieren können.

Sogar wenn jemand nicht offen für klassische Musik ist, kann er sich gegen Bachs Musik kaum verschließen. Die unvermeidliche Wirkung erreicht so gut wie alle lebenden Wesen. Empfindsame und weniger empfindsame Menschen und auch Tiere können Bachs harmonisierende Grundenergie in irgendeiner Weise spüren. Wenn Bach die Sinne berührt, wird eine unerklärliche Resonanz entfaltet, die alle Sehnsüchte stillt.

Die reiche Landschaft von Klängen und Harmonien, mit der Bach sich mit aller Konsequenz beschäftigte, zeigt, mit welcher Hingabe und Zuwendung er seiner Arbeit nachgegangen ist. Es gibt kaum eine Harmonie, die Bach nicht erforscht und ausprobiert hat. Er war Inspirationsquelle für viele, die danach kamen. Nicht umsonst sagte Beethoven: “Nicht Bach — MEER sollte er heißen!!” und Goethe: “Ich sprach mir's aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich's etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung möchte zugetragen haben; so bewegte sich's auch in meinem Innern, und es war mir als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte.”

Wenn ich Bach höre, dann fühle ich mich als Teil einer größeren Harmonie. Eine gewisse Verbindung mit dem Universum in seiner Ganzheit entsteht ohne sture Mühe und mit lebendiger Gewißheit. Eine heilende Wirkung, die mir zeigt, daß unendliche Einheit und Frieden möglich sind. Hier gibt es dann keinen Platz mehr für Zerstreuung und Verwirrtheit, sondern nur für Klarheit.

In Bachs Musik herrscht die Weisheit eines höheren Gefühlszentrums, die weit über gewöhnliche Gefühle und Empfindungen hinausgeht und alle erreichen kann, unabhängig von Zeit, Religion, Glaube, Kultur, Weltanschauung oder Bildungsstand. Die Musik Johann Sebastian Bachs ist, was G. I. Gurdjieff "objektive Kunst" genannt hat: die Kunst, das Wahre greifbar zu machen.

Bachs Musik in seiner Gesamtheit genießen

Wenn ich ein unbekanntes Stück Bachs mit dem Orchester ausprobiere, bin ich erstmal nur auf meine eigene Stimme konzentriert. Am Anfang fällt es mir noch schwer zu spüren, wo die Musik hinwill. Ich frage mich sogar, was das Besondere in dem Stück sein kann. Aber sobald ich nicht mehr auf meine Stimme fixiert bin und die Ohren für die anderen Melodien öffnen kann, passiert eine spürbare Verwandlung: Eine Fülle trifft ein, und alles, was vorher einseitig und inkomplett erschien, verbindet sich miteinander und erzeugt etwas Neues.

Bach hat formal ziemlich viel ausprobiert. Dabei hat er aber das Wesentliche nicht vernachlässigt: die Vermittlung einer inneren Stimmigkeit und Sinnhaftigkeit, die das Leben mit voller Verantwortung, Vertrauen und Intimität begrüßt wie den besten Freund. Es ist die größte Freiheit des Menschens, die hier bejubelt wird: Die freie Wahl, die jedem angeboten wird, glücklich zu sein und sich dem Leben in all seiner Totalität zu widmen.

Manche sagen, daß Bachs Musik eine gewisse Strenge hat. Wer aber nur die formalen Regeln seiner Musik sieht, hat nur eine einseitige Begegnung erlebt und das Beste in der Musik verpaßt. Die Musik Bachs hat tatsächlich die Macht, den Weg der inneren Wahrheit zu öffnen, den Bach durch das neugierige Erforschen der Form selbst erfahren dürfte und mit anderen teilen wollte.

Um Bach in seiner Gesamtheit zu genießen, muß man die Sicherheit des intellektuellen Vorgangs für einen Moment verlassen und in der Lage sein, Neuland zu betreten.

Der Rest passiert von alleine.

Stückbeschreibungen

Fußnoten und Quellen

  1. Eidam, Klaus. Das wahre Leben des Johann Sebastian Bach. Piper Verlag, München, 1999.

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